in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Ronny
Aviram
im Rahmen von f/stop Festival für Fotografie 2024
in collaboration with the artist Ronny Aviram
Kapitel I: Brühl (Leipzig)
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Brühl in Leipzig ein weltweit bedeutender Ort für den Pelzhandel, an dem viele jüdische Familien beteiligt waren. Diese
lebendige und bedeutende jüdische Gemeinde endete gewaltvoll in der Nazizeit. Die Geschichte des jüdischen Lebens am Brühl wurde weitestgehend überschrieben und ist heute kaum noch sichtbar. Im
Gegensatz zu anderen Personen (insbesondere Wagner) und Ereignissen, an die die Stadt öffentlich erinnert, bleibt dieser Teil der Geschichte des Brühls verborgen.
Der Titel „too heavy to carry“ bezieht sich im übertragenen Sinne sowohl auf die Auseinandersetzung mit der Shoah im Allgemeinen als auch auf die Unsichtbarkeit
jüdischer Schicksale am Leipziger Brühl im Besonderen. Darüber hinaus referiert er auch ganz konkret auf Gegenstände, Mobiliar und Familienandenken, wie auch Fotos, die jüdische Familien bei der
Flucht oder Deportation in ihren Wohnungen zurücklassen mussten.
Grundlage unseres ersten Kapitels ist ein biografischer Zugang zum Thema. Hierfür haben wir uns für das Gedicht „Did you close the door softly“ der Überlebenden Ruth
Lansley, geborene Kormes, entschieden. Ihre bewegenden Worte verhandeln die Schuldgefühle einer Überlebenden gegenüber ihren verschollenen Eltern.
Unser Anspruch ist es, diese vergessene Geschichte sichtbar zu machen und eine Verbindungslinie von der Vergangenheit zur Gegenwart zu ziehen. Wir wollen an ein
gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein in Gegenwart und Zukunft appellieren, das auf Empathie und Menschlichkeit beruht und keinen Raum für Antisemitismus lässt.
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Chapter I: Brühl (Leipzig)
At the beginning of the 20th century, Brühl in Leipzig was a globally important location for the fur trade, in which many Jewish families were involved. This vibrant and important Jewish
community came to a violent end during the Nazi era. The history of Jewish life on Brühl was largely overwritten and is barely visible today. In contrast to other people (especially Richard
Wagner) and events that the city commemorates publicly, this part of Brühl's history remains hidden.
The title "too heavy to carry" refers in a figurative sense both to the confrontation with the Shoah in general and to the invisibility of Jewish fates on Leipzig's Brühl in particular. It also
refers specifically to objects, furniture and family mementos, as well as photos that Jewish families had to leave behind in their homes when they fled or were deported.
The basis of our first chapter is a biographical approach to the topic. For this, we chose the poem "Did you close the door softly" by survivor Ruth Lansley, née Kormes. Her touching words deal
with a survivor's feelings of guilt towards her missing parents.
Our aim is to make this forgotten history visible and to draw a line from the past to the present. We want to appeal to a sense of social responsibility in the present and future that is based on
empathy and humanity and leaves no room for antisemitism.
Fotos: Walter Le Kon
Pressestimmen
Ulrike Thielmann:
Elisabeth Stiebritz und Ronny Aviram zeigen im Timonhaus, dem früheren Sitz von "Elektro Conrad". Es ist eine berührende Videoarbeit, die den Leipziger Brühl als Hemisphäre der jüdischen Leipziger Pelzhändler bis ins 20. Jahrhundert hinein kenntlich macht – heute als Teil der Leipziger Geschichte im Stadtraum ausgeblendet.
LVZ, 30.05.2024Jürgen Kleindienst:
Überschriebene Geschichte freilegen
Zurück ins Timonhaus, wo sich Studierende der HGB sehr tiefgründig mit inneren und äußeren Welten in Vergangenheit und Gegenwart
auseinandersetzen. Elisabeth Stiebritz und Ronny Aviram haben sich zum Beispiel mit der architektonisch fast komplett überschrieben Geschichte des jüdischen Lebens am Brühl auseinandergesetzt –
mit einer Installation aus Archivmaterial, Sound, Video und Lyrik.